»Fünf Thesen zur Rundfunkfreiheit« (1979)

  1. Rundfunk und Fernsehen sind in der Bundesrepublik Deutschland Organe einer freien Gesellschaft zur Förderung der individuellen und kollektiven Information und Kommunikation. Kein anderes Medium hat bisher einen vergleichbaren Auftrag, das gesamte Spektrum gesellschaftlicher Meinungs- und Willensbildung ohne politisch oder wirtschaftlich bedingte Einschränkungen abzudecken. Eine solche gesellschaftliche Aufgabe kann nur in gesellschaftlich garantierter und kontrollierter Unabhängigkeit von politischer und wirtschaftlicher Macht erfüllt werden.
  2. Die derzeitige Kampagne zur Aushöhlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems tendiert gleichermaßen zu »Verstaatlichung« und »Privatisierung« der elektronischen Medien. In beiden Fällen wird der Rundfunk als Dienstleistung für den Bürger ebenso abgeschafft wie die Integrationsfunktion des Mediums in einer vielfach heterogenen Gesellschaft.
  3. Als unabhängiges Organ einer freien Gesellschaft haben Rundfunk und Fernsehen in erster Linie auch die Tätigkeit staatlicher Organe darzustellen und zu kommentieren. Rundfunkkontrolle durch die zu kontrollierende Regierung im Wege direkter oder indirekter Einflussnahme bzw. unter Missbrauch der Rechtsaufsicht ist mit dieser Aufgabe wie auch dem Prinzip journalistischer Unabhängigkeit unvereinbar.
  4. Rundfunk und Fernsehen haben als gesellschaftliches Medium die Interessen von Mehrheiten und Minderheiten ausgewogen zu berücksichtigen. Durch Privatisierung und Kommerzialisierung entsteht ein Konkurrenz und Wettbewerbsdruck, der einseitig auf Befriedigung von Mehrheitsinteressen orientiert und so unvereinbar ist mit der Integrationsfunktion des Mediums. Information in diesem Medium darf nicht zur Ware werden, die nach kommerziellen Wünschen und Finanzkraft des Nachfragers gehandelt wird.
  5. Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sind in der Bundesrepublik Deutschland bedroht durch staatliche Eingriffe, parteipolitische Pressionen und eine gezielte Diffamierungskampagne gegen den Rundfunk in der Presse der interessierten Medienkonzerne. Die drohende Zerschlagung des NDR kann zum Auseinanderbrechen des bewährten Systems der Länderrundfunkanstalten führen. Die zukünftigen elektronischen Medien bedürfen daher des verstärkten Engagements demokratischer Bürger, wenn sie ihre Unabhängigkeit gleicher maßen gegen staatliche Organe und wirtschaftliche Profitinteressen wahren können sollen.