Appell vom 18. Juni 2017
Der amerikanische Präsident hat beim Nato-Gipfel erneut gefordert, Deutschland müsse seine Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent zu erhöhen. Er will, dass wir 70 Milliarden Euro pro Jahr für Militär ausgeben – nahezu das Doppelte von dem, was die Bundeswehr heute erhält!
Wir fordern die Bundesregierung auf, diesem unsinnigen Drängen nicht nachzugeben.
Wir hoffen, dass die Bundesregierung mit anderen Nato-Partnern eine Achse der Vernunft bildet, die dieses lose Rad des Militarismus wieder zurück in die Spur vernünftiger Politik führt.
Wir erkennen an, dass Verteidigungsausgaben notwendig sind. Wir teilen vor allem mit unseren französischen Freunden, aber auch mit vielen Nato-Partnern die Lasten im Kampf gegen den Terrorismus.
Aber: Wir bestreiten energisch, dass Verteidigungsausgaben etwas über Sicherheit oder gar Frieden aussagen. Militäreinsätze helfen, einen Krieg zu gewinnen. Den Frieden kann man nicht militärisch dauerhaft sichern. Frieden braucht vor allem das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern.
Die Beispiele sind vielfältig und sollten uns Mahnung sein: Eine Erhöhung von Militärausgaben führt meistens zu mehr und nicht weniger Unsicherheit. Törichte Militärinterventionen sind eine der wichtigsten Fluchtursachen. Die Grausamkeiten des Krieges bis hin zu Verbrechen gegen die Humanität zerstören ganze Gesellschaften und machen große Anstrengungen für eine neue Zivilität erforderlich. Nicht zuletzt erschüttern barbarische Kriegsakte oft genug das Vertrauen anderer Völker der Welt in die westlichen Demokratien.
Wie viele humanitäre Einsätze, wie viele Hungerskatastrophen, Flüchtlingslager, Folteropfer muss es noch geben, bis auch die Nato begreift, dass Ausgaben für das Militär oft genug das Gegenteil von Frieden und Sicherheit verursachen? Viel mehr als Verteidigungsausgaben sind hierfür die Ausgaben für eine vernünftige Diplomatie, für humanitäre Hilfe, für zivile Kriseneinsätze und zivile Krisenvorbeugung, für kulturelles Verständnis, Bildung und Entwicklungshilfe ausschlaggebend.
Wenn man über Frieden und Sicherheit reden und uns mit anderen Ländern vergleichen will, dann müssen all diese Kosten in Ansatz gebracht werden. Wenn man eine Politik für den Frieden und die Verständigung der Völker betreiben will, dann muss die Sicherheitspolitik Mittel der Außenpolitik sein. Deutsche Außenpolitik darf sich nicht zum Büttel der Sicherheitspolitik machen – es gilt das Primat der Außenpolitik.
Wir fordern die Bundesregierung auf, eine ganzheitliche Politik für Frieden und Stabilität zu beschreiben und innerhalb der Nato und der Europäischen Union dafür zu sorgen, dass beide Organisationen einem solchen Ansatz den Vorzug geben.
Wir fordern die Bundeskanzlerin, den Außen- und den Entwicklungsminister auf, sich auf einen Sicherheitsindikator zu einigen, der die oben genannten Ausgaben umfasst und diesen als Gegenvorschlag zum Vorgehen der USA in die Diskussionen in der Nato und der EU einzubringen.
Wir fordern den Außenminister auf, gemeinsam mit seinem französischen Partner Vorschläge zu einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik als Teil einer gemeinsamen Außenpolitik zu machen.
Wir fordern die politischen Parteien auf, in ihren Wahlprogrammen dieses 2-Prozent-Ziel abzulehnen und sich durch die Bundestagswahl ein eindeutiges Mandat gegen den Rüstungswahnsinn zu holen. 70 Milliarden für Rüstung und nur 40 Milliarden für die Integration von Flüchtlingen – das ist nicht das Land, das wir wollen!
SPD will einen Kurswechsel in der Verteidigungspolitik
Gastbeitrag von Martin Schulz und Thomas Oppermann für die Zeitungen der Funke-Mediengruppe, 6.8.2017
Mitteilungen des Arbeitskreises Darmstädter Signal, 15.8.2017