Can Dündar war Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“. Er wurde 2015 der Spionage angeklagt und festgenommen; die Staatsanwaltschaft forderte eine lebenslange Haft. Ein Gericht befand Dündar wegen der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen für schuldig und verurteilte ihn zu fünf Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Can Dündar lebt und arbeitet gegenwärtig in Deutschland.
Can Dündar schreibt regelmäßig als Kolumnist für DIE ZEIT. In seinem Beitrag vom 26.7.2017 „Verhandlungen über Gefangenenaustausch“ zitiert er einen Dialog zwischen Erdogan und Außenminister Gabriel vom 5. Juni dieses Jahres. Erdogan übergab eine Liste mit mehr als 4500 angeblichen Straftätern und „Gülenisten“ und forderte deren Auslieferung an die Türkei: „Wenn Sie zwei Generäle ausliefern, können wir zwei Deutsche freilassen.“
Ein Auszug aus seinem Artikel in der ZEIT:
Wer Spielbergs Film „Bridge of Spies“ gesehen hat, den werden diese Szenen an den Kalten Krieg erinnern. Bedauerlicherweise stehen auch 57 Jahre danach Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch auf der Agenda. Von meiner Quelle in Kreisen des Auswärtigen Amts, die mir obigen Dialog zutrug, erfuhr ich, dass auch mein Name bei dem Treffen fiel.
Als vergangene Woche in Istanbul Haftbefehle gegen Menschenrechtler ergingen, darunter auch ein deutscher Staatsbürger, war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Gabriel brachte erstmals ökonomische Maßnahmen ins Spiel. Das wäre für die türkische Wirtschaft, deren größter Exportpartner Deutschland ist, ein schwerer Schlag.
Erdoğan wertete Gabriels Äußerung als „Wahlkampftaktik“ und nannte erneut mich als Beispiel: „Wenn Sie Terroristen Preise geben, auf staatlichen Veranstaltungen reden lassen und im Bundespräsidialamt empfangen, können wir nicht gelassen zuschauen.“
Während die Erdoğan-nahe Presse Kriegsbemalung gegen Deutschland aufträgt, mahnen besonnene Stimmen: „Es könnte zur Wirtschaftskrise kommen.“ Im vorletzten Jahr kamen noch 5,4 Millionen deutsche Touristen, im vergangenen Jahr nur noch 3,6 Millionen, und für das laufende Jahr wird mit einem weiteren Einbruch gerechnet. Man weiß, dass Angestellte deutscher Firmen in der Türkei längst auf gepackten Koffern sitzen. Vor einigen Monaten sprach ich mit leitenden Vertretern von 60 Unternehmen, die in der Türkei investieren. Sie äußerten sich besorgt und fragten mich nach meiner Einschätzung.
„Ziehen Sie sich nicht zurück, aber machen Sie eine unabhängige Justiz zur Bedingung für Investitionen“, empfahl ich. „Ohne Gerechtigkeit sind weder Freiheiten noch Investitionen sicher.“ Dieselbe Gerechtigkeit forderten auch die Hunderttausenden, die kürzlich von Ankara nach Istanbul marschierten.