Wir veröffentlichen einen Aufruf der Geschäftsstelle Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und des Internetportals Perlentaucher vom 27.11.2024_
Boualem Sansal, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels des Jahres 2011, droht wegen einer Meinungsäußerung zur algerischen Geschichte eine jahrelange Gefängnisstrafe. Sansal ist algerischer und französischer Staatsbürger, also Europäer. Wir, deutsche und internationale Schriftsteller und Journalisten und Repräsentanten von Kulturorganisationen, fordern Solidarität mit Boualem Sansal. An die Adresse der algerischen Regierung lässt sich nur eines sagen: Wegen seiner Meinung darf kein Schriftsteller eingesperrt werden. Wir verlangen seine sofortige Freilassung! Wir unterstützen die Bemühungen von Außenministerin Annalena Baerbock, Aufklärung über die Lage Sansals zu erhalten.
Tagelang war der algerische Schriftsteller Boualem Sansal verschwunden. Gestern nun wurde er in Algier einem Gericht vorgeführt. Noch ist nicht klar, ob er einen unabhängigen Rechtsbeistand hat. Belangt werden soll er wegen Äußerungen zur algerischen Geschichte – nach algerischen Paragrafen können ihm dafür drakonische Strafen drohen. Ein Schriftsteller soll für seine Meinung ins Gefängnis.
Boualem Sansal ist ein dezidierter Kritiker des algerischen Regimes und des Islamismus. Er scheut sich auch nicht, einen „offiziellen“ Islam anzuprangern, der weder in den muslimischen noch in den westlichen Ländern eine Handhabe gegen den Islamismus zustande gebracht hat. Man muss nicht seiner Meinung sein. Aber wer diskutieren will, der darf sich sein Gegenüber nicht rauben lassen.
Sansals französischer Anwalt François Zimeray fürchtet laut RTL, dass Sansal nach Äußerungen, die den algerischen Nationalismus provozieren, der Spionage angeklagt werden könnte und nach einem Willkürprozess für lange Zeit ins Gefängnis gesteckt wird.
Sansal ist algerischer und französischer Staatsbürger, also Europäer. Wir, deutsche und internationale Schriftsteller und Journalisten und Repräsentanten von Kulturorganisationen, fordern Solidarität mit Boualem Sansal.
An die Adresse der algerischen Regierung lässt sich nur eines sagen: Wegen seiner Meinung darf kein Schriftsteller eingesperrt werden. Wir verlangen seine sofortige Freilassung!
Wir unterstützen Außenministerin Annalena Baerbock und ihren französischen Kollegen Jean-Noël Barrot in ihrem Bemühen, von der algerischen Regierung Aufklärung über den Verbleib Boualem Sansals zu erhalten und die deutsche und europäische Öffentlichkeit über die Antwort der algerischen Regierung informieren. Sansal braucht einen unabhängigen Rechtsbeistand und Zugang zu Familie, Freunden und Repräsentanten der französischen Botschaft.
Wer Boualem Sansal, wie sein Kollege und Freund Kamel Daoud es ausdrückte, „verschwinden macht“, schädigt im Moment einer extremen Polarisierung die Möglichkeit von Debatte überhaupt. Eine solche Politik zielt darauf ab, Demokratie, auch in Europa, zu zerstören. Wenn die Demokratien nicht gegen eine solche Politik einstehen, sind sie verloren.
Anne Applebaum (Friedenspreisträgerin 2024)
Aleida Assmann (Friedenspreisträgerin 2018)
Seyla Benhabib (Adorno-Preisträgerin 2024 und Friedenspreis-Laudatorin von Carolin Emcke 2016)
Carolin Emcke (Friedenspreisträgerin 2016)
David Grossman (Friedenspreisträger 2010)
Daniel Kehlmann (Autor und Friedenspreis-Laudator von Salman Rushdie 2023)
Navid Kermani (Friedenspreisträger 2015)
Claus Leggewie (Politikwissenschaftler)
Jo Lendle (Verleger Carl Hanser Verlag und Mitglied im Friedenspreis-Stiftungsrat)
Wolf Lepenies (Friedenspreisträger 2006)
Herta Müller (Literaturnobelpreis 2009)
Michael Naumann (Staatsminister a.D. und Friedenspreis-Laudator von Péter Esterházy 2004)
Orhan Pamuk (Friedenspreisträger 2005 und Nobelpreis für Literatur 2006)
Joachim Sartorius (Autor und Übersetzer, Friedenspreis-Laudator von Orhan Pamuk 2005)
Karin Schmidt-Friderichs (Börsenvereinsvorsteherin und Mitglied im Friedenspreis-Stiftungsrat)
Thierry Chervel (Perlentaucher)
Eva Quistorp (Politikerin)
Martin Schult (Börsenverein)
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Claus Leggewie: Kriminalisierung einer abweichenden Meinung (Beitrag für Perlentaucher)