Auf die Ergreifung von Can Dündar wurde ein Kopfgeld von 25.000 Euro ausgesetzt: „Es gibt keinen sicheren Ort für die Gegner von Erdogan“
Anfang Januar 2013 wurde bekannt, dass der im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar von der Erdogan-Regierung auf eine Terrorliste gesetzt wurde, um ihn international zu jagen. Aus einem Artikel, den er für ZEIT ONLINE schrieb:
Der türkische Innenminister hatte meinen Namen auf die Liste der meistgesuchten Terroristen des Landes gesetzt, zusammen mit einem Foto, das ich vor etlichen Jahren einmal mit dem Antrag auf einen Reisepass eingereicht hatte.
Mein „Verbrechen“ besteht darin, dokumentiert zu haben, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan über seinen Geheimdienst heimlich Waffen an Dschihadisten in Syrien geliefert hatte. Diese Meldung wurde von zahlreichen internationalen Presseorganisationen aufgegriffen, brachte mir in der Türkei eine Haftstrafe von siebenundzwanzigeinhalb Jahren ein, eine Zeit lang Einzelhaft, ein fehlgeschlagenes Attentat auf mich, anschließend die Konfiszierung meines gesamten Hab und Guts – und hatte letztlich mein Exil zur Folge. Erdoğan aber schien all das nicht zu reichen. Nachdem der Bericht erschienen war, erklärte er: „Er wird einen hohen Preis dafür bezahlen.“ Um dieses Versprechen zu halten, nennt er mich jetzt einen Terroristen und stellt für die Unterstützung zu meiner Ergreifung eine Belohnung von 500.000 Lira in Aussicht, umgerechnet rund 25.000 Euro.
Es ist, als stünde die Türkei weniger vor einer Präsidentschaftswahl als vielmehr vor einem Kampf auf Leben und Tod. Den Informationskrieg im Vorfeld dieser vorgezogenen Wahlen, die voraussichtlich Ende April stattfinden werden, versucht Erdoğan mit seiner Menschenjagd noch zu verhindern. Er hat so viele Personen, die gegen ihn opponieren, ungünstig über ihn berichten oder Informationen durchstechen, zu Terroristen erklärt, dass die Anzahl der Terrorverdächtigen mittlerweile auf fast zwei Millionen geschätzt wird. Das macht die Türkei inzwischen zum Land mit der größten Anzahl an Terroristen auf der Welt. Natürlich gibt es keine Überzahl an Terroristen, sondern es gibt Erdoğans Terrorismusdefinition. Das sorgt nicht nur in der Türkei für Debatten, sondern auch in zahllosen Ländern, in Deutschland, Schweden, Finnland und auch in der Ukraine.