Die Ausstellungen
Unter den vielfältigen Aktivitäten der Aktion für mehr Demokratie nehmen die Ausstellungen einen besonderen Platz ein. Unsere Angebote wurden vor allem in den großen Wahlauseinandersetzungen von den Untergliederungen der Partei, den Jusos, einzelnen Gruppen und Initiativen sowie Privatpersonen genutzt. Auch wenn sie einen gewissen organisatorischen Aufwand erfordern, Ausstellungen werden in der Öffentlichkeit so gut wie immer wahrgenommen und können meist auf ein Echo in den Medien hoffen.
Im Bundestagswahlkampf 1994 – Rudolf Scharping war der Kanzlerkandidat der SPD – galt es, den großen Erfolg der »Für Oskar«-Ausstellungsserie möglichst zu übertreffen. Wieder hatten 38 Künstlerinnen und Künstler, von Max Bill bis Tomi Ungerer, unter dem Motto »FLAGGE ZEIGEN – Für Demokratie – Gegen Gewalt und Fremdenhass« eine Grafikauflage zur Verfügung gestellt. Mehr als 160 Ausstellungen kamen zustande, lösten lebhafte Diskussionen aus, versuchten, in der Routine der Wahlkämpfe einen besonderen Akzent zu setzen – jenseits der Werbestrategien hochbezahlter Agenturen. Wir überzeugten durch das persönliche Engagement mit eher sperrigen Beiträgen, die nicht leicht einzuordnen sind und auch noch nach den Wahlen für Gesprächsstoff sorgen.
Sogar der Bild-Zeitung waren unsere Aktivitäten nicht verborgen geblieben. Ich gestehe gern ein, dass mich der Anruf einer offenbar für Kultur zuständigen Mitarbeiterin des im allgemeinen recht kulturlosen Blattes äußerst überraschte. Bild fände unsere Aktion »FLAGGE ZEIGEN« hervorragend und wolle sie gern mit einem umfangreichen Bericht unterstützen. Meine freundliche, aber bestimmte Ablehnung dieses Angebotes schien die Anruferin völlig ratlos zu machen. Alle wollten doch in die Bild-Zeitung, würden die ungewöhnlichsten Anstrengungen unternehmen, um über das Blatt die wirklichen Massen zu erreichen. Mein Einwand, dass es doch pure Heuchelei sei, auf Seite eins gegen Asylbewerber zu hetzen und im hinteren Teil eine Initiative zu begrüßen, die für Fremdenfreundlichkeit wirbt, ließ sie nicht gelten. Dass jemand unter diesen Voraussetzungen lieber auf eine Erwähnung in Bild verzichtet, schien ihr völlig unverständlich. So beraubten wir uns der einmaligen Gelegenheit, jene Millionen Bild Leser anzusprechen, an die angeblich oder tatsächlich »alle ranwollen«.
Die Ideentreffs
Die Klage über die Sprachlosigkeit zwischen Künstlern, Intellektuellen und Politikern gehört zur Grundausstattung der alltäglichen Jemeriade. Dessen ungeachtet versuchen wir immer wieder, mit zahlreichen Gesprächsangeboten Leute der verschiedensten Couleur zusammenzubringen. Dabei geht es nicht um einen festen organisatorischen Rahmen, aber um ein Minimum an Kontinuität. Nicht die medienwirksame Show ist gefragt, sondern Vertrauen in einem Klima von wechselseitigem Respekt und Neugierde aufeinander.
Anfang der achtziger Jahre trafen wir uns mehrmals in einer Bildungsstätte der Friedrich Ebert-Stiftung in Bonn-Venusberg zu den sogenannten »Venusberggesprächen«. Persönliche Einlader waren neben Klaus Staeck Egon Bahr, Jürgen Manthey, Claus Peymann und Axel Rütters. Zu dieser Zeit war die sozialliberale Regierungskoalition bereits ins Trudeln geraten, die Befürworter einer Fortsetzung der angeschlagenen Koalition stritten mit jenen Verdrossenen, die sich eine politische Rundumerneuerung vom vermeintlichen Jungbrunnen der Opposition erhofften, nicht ahnend, dass diese Regeneration schließlich sechzehn lange Jahre dauern würde. Von einer verlorenen Wahl zur nächsten wich seit 1983 das Prinzip Hoffnung einer weitverbreiteten allgemeinen Resignation. Ein Grund für nicht wenige, sich aus der politischen Debatte und damit aus der politischen Verantwortung zurückzuziehen.
Während eines Treffens mit Rudolf Scharping auf Einladung Horst Eberhard Richters anlässlich der Frankfurter Buchmesse 1993 versuchten wir wieder an die Bonner Gespräche anzuknüpfen. Zusammen mit Oskar Negt und Hans Misselwitz lud ich ab Februar 1994 zu inzwischen zwölf Diskussionsforen nach Köln, Bonn, Potsdam und Berlin ein. Unter der programmatischen Überschrift »Ideentreff – Mut zu Reformen« trafen sich unabhängig von Wahlterminen führende SPD-Politiker – Oskar Lafontaine, Rudolf Scharping, Wolfgang Thierse, Franz Müntefering, Ottmar Schreiner, Johannes Rau, Hans Eichel, Regine Hildebrandt, Anke Brunn und Reinhard Klimmt – mit zahlreichen Künstlern und Intellektuellen, um Modelle für einen Macht- und Politikwechsel zu entwickeln.
Der 10. Ideentreff am 19. August 1998 im Willy-Brandt-Haus und im Berliner Ensemble war der spektakulärste unter dem Motto euroVISIONEN. Miteinlader war der ehemalige französische Kulturminister Jack Lang. Über 400 Teilnehmer aus dem In und Ausland folgten unserer Einladung, darunter Viviane Forrester, Michel Tournier und Michel Jarre aus Paris, Elie Wiesel aus New York, Ben Kingsley aus London, Krisztof Zanussi aus Rom, Antoni Angeloupoulos aus Athen, Adam Krzeminski aus Warschau, Jurij Chaschtschewatski aus Minsk und die Deutschen Senta Berger, Leonie Ossowski, Erich Loest, Torsten Becker, Hannelore Hoger, Hilmar Thate, Angelika Domröse, Uwe Friedrichsen, Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta, Michael Verhoeven, Rut Brandt, Roger Willemsen, Friedrich Schorlemmer, Michael Naumann, Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine, Franz Müntefering, Herta Däubler-Gmelin und Wolfgang Thierse.
Vierzehn Fernsehanstalten und mehr als 200 Journalisten aus zahlreichen europäischen Ländern und den USA berichteten ausführlich. Selbst die hämischsten unter den Kulturberichterstattern kamen um die Feststellung nicht herum, dass es seit den Tagen Willy Brandts ein derartiges Ereignis mit Signalcharakter nicht mehr gegeben hat.
EuroVISIONEN, ein unüberhörbarer Appell für die Abwahl der verbrauchten Kohlregierung, war der kulturpolitische Höhepunkt im Bundestagswahlkampf 1998.
Zur Überraschung vieler war Kultur in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung gerückt. Am 27. September 1998 war es dann soweit: Der von kaum jemand erwartete klare Sieg von SPD und Grünen schuf eine neue Situation.
Die anfängliche Euphorie über die komfortable Mehrheit für ein rotgrünes Regierungsbündnis und damit für dringend notwendige Reformen hielt nicht lange vor. Sankt Florian bleibt der verlässlichste Schutzpatron der Bundesbürger.
Deshalb ist Einmischung weiter gefragt. Aktionen für die Wahl von Johannes Rau zum Bundespräsidenten und zur Unterstützung von Reinhard Klimmt im saarländischen und Heide Simonis im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf ließen keinen Verdacht aufkommen, wir wollten uns nach der gewonnenen Bundestagswahl aus der Politik zurückziehen.