Oleg Senzow hat Hungerstreik nach 145 Tagen beendet

Foto von Oleg Senzow im Straflager, veröffentlicht von Human Rights Watch am 9.8.2018. FOTO: AFP/HUMAN RIGHTS WATCH

Nach eigenen Angaben hat Oleg Senzow seinen 145 Tage dauernden Hungerstreik weitgehend unbeschadet überstanden. „Mach Dir nicht zu viele Sorgen – ich habe überlebt“, schrieb Senzow in einem Brief an seinen Freund Nikolai Schtschur, den dieser laut AFP in Auszügen veröffentlichte.

Senzow war im Mai 2014 festgenommen worden, nachdem er öffentlich gegen die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland protestiert hatte. Anschließend wurde er in einem international kritisierten Prozess wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation zu 20 Jahren Haft verurteilt. Anfang Oktober 2018 stellte er nach 145 Tagen seinen Hungerstreik ein, um nicht zwangsernährt zu werden. Seinen Angehörigen zufolge schwebte er zwischenzeitlich in Lebensgefahr.

Aktuell vom 25.10.2018:
Oleg Senzow wird am 12. Dezember mit dem Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments geehrt.

3-Sat Kulturzeit, 20.08.2018: Gespräch mit der Schriftstellerin Katja Petrowskaja über Oleg Senzow

Wladimir Putins perfekter Mord darf nicht gelingen, von Dima Lewitzki, DIE WELT, 20.8.2018
(…) „Es ist offensichtlich, dass Oleg Senzow bereit ist, bis ans Ende zu gehen. In einem seiner letzten Briefe an seine Schwester Natalia Kaplan schrieb er, dass ‚das Ende nahe ist‘. Es ist auch offensichtlich, dass Wladimir Putin in diesem Kampf nicht aufgeben will.“

Erneute Protesterklärung internationaler Filmemacher,
veröffentlicht in „Le Monde“ vom 13.8.2018

Mehr als 100 internationale Filmemacher haben die Freilassung des in Russland inhaftierten ukrainischen Regisseurs Oleg Senzow gefordert. Man müsse schnell reagieren, um Senzow, der im Hungerstreik ist, nicht sterben zu lassen, heißt es in dem auf der Internetseite der französischen Zeitung „Le Monde„. Es sei höchste Zeit, dass Russland nicht nur eine humanitäre, sondern auch eine politische Lösung finde. Unterschrieben hat den Aufruf neben Regisseuren wie Jean-Luc Godard, Costa-Gavras und Ken Loach auch die französische Kulturministerin Françoise Nyssen.

AFP-Bericht vom 16.05.2018

Der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow ist in einem russischen Straflager in den Hungerstreik getreten. Der 41-Jährige wolle erst dann wieder Nahrung zu sich nehmen, wenn alle ukrainischen Gefangenen aus russischer Haft freikommen, sagte sein Anwalt Dmitri Dinse AFP. Der Hungerstreik habe „politische Gründe“ und sei auch mit Blick auf die bevorstehende Fußball-WM in Russland begonnen worden.

Senzow war 2015 in Russland zu 20 Jahren Haft wegen „Terrorismus“ verurteilt worden. Er befindet sich derzeit in einem Straflager in Labitnangi im arktischen Norden Russlands. Senzow war nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim festgenommen worden. Russland beschuldigte ihn, einer ultranationalistischen ukrainischen Gruppierung anzugehören.

Die Krim war im März 2014 nach einem umstrittenen Referendum von Russland ins eigene Staatsgebiet eingegliedert worden. Die Regierung in Kiew und der Westen sprechen von einer völkerrechtswidrigen Annexion und betrachten die Krim weiter als Teil der Ukraine. Die EU und die USA verhängten wegen der Annexion Sanktionen gegen Moskau.

Poroschenko stellt sich hinter Senzows Forderung
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko stellte sich umgehend hinter die Forderungen des Hungerstreikenden. In einer Twitter-Botschaft rief Poroschenko die internationale Gemeinschaft auf, „Druck auf den Kreml auszuüben, damit die ukrainischen politischen Gefangenen so bald wie möglich zu ihren Familien zurückkehren können“.
Die russische Nachrichtenwebseite Mediasona veröffentlichte einen handgeschriebenen Brief, in dem Senzow seinen Hungerstreik ankündigt. Seit dem 14. Mai nehme er keine Nahrung mehr zu sich, schreibt der Filmemacher. Das Schreiben beendete er auf ukrainisch mit den Worten: „Zusammen bis zum Ende! Ruhm der Ukraine!“ Senzows Anwalt Dinse schätzt, dass derzeit etwa 64 Ukrainer als politische Gefangene in russischen Gefängnissen sitzen. (AFP)

––––––––––––––

Erste Protesterklärung der Akademie der Künste zur Verhaftung von Oleg Senzow (22.7.2014):

Freiheit für den Filmregisseur Oleg Senzow

Der ukrainische Filmregisseur und Autor Oleg Senzow wurde am 11. Mai unter absurden Anschuldigungen von russischen Geheimdienst FSB auf der Krim verhaftet, gefoltert und in das Moskauer Lefortowo-Gefängnis verbracht.
Inzwischen hat ein Moskauer Gericht trotz Protesten des ukrainischen Außenministeriums und zahlreicher internationaler Künstlerkollegen die Untersuchungshaft bis Mitte Oktober diesen Jahres verlängert – offenbar um einen propagandistischen Schauprozess zu inszenieren.
Senzow, der mit seinem Film „Gamer“ weit über die Ukraine Aufmerksamkeit erfuhr, gehörte zu den Aktivisten des Kiewer Maidan. Die Unterstellung, Mitglied einer Terror-Gruppe des „Rechten Sektors“ zu sein und am 9. Mai die Sprengung von Denkmalen in Simferopol geplant zu haben, bezeichnet er als haltlose Anschuldigungen, die aus politischen Gründen fabriziert wurden. Senzow war nicht bereit, nach der Annexion der Krim die ukrainische Staatsbürgerschaft gegen die russische einzutauschen: „Ich bin kein Leibeigener, den man mit dem Land übergibt“, zitiert ihn sein Anwalt nach einem Verhör durch die Moskauer Untersuchungsorgane.

Die Akademie der Künste in Berlin appelliert an die Botschaft Rußlands, der Führung in Moskau zu verdeutlichen, dass die willkürliche Verhaftung und die perfide propagandistische Inszenierung eines Terrorprozesses dem Ansehen Russlands in der Welt großen Schaden zufügt.

Die russischen Künstler werden aufgerufen, mit ihren Protesten Oleg Senzow solidarisch zu unterstützen, seine Freilassung und seine Ausreise in die Ukraine zu fordern.

Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste