Soziale Spaltungen überwinden, eine Antwort auf die Flüchtlingsfrage finden und in die Zukunft investieren.
Deutschland droht seine historische Verantwortung für Europa zu verfehlen: durch Blindheit gegenüber den zunehmenden Gefahren für Europa und durch Mutlosigkeit, ihnen entschieden und fantasievoll zu begegnen. Die Zukunft Europas darf sich nicht auf wirtschaftliche und finanzielle Überlegungen beschränken.
Schon 2012 hat der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski uns Deutschen den prägnanten Satz entgegengehalten: „Ich fürchte die deutsche Macht weniger als die deutsche Untätigkeit.“ Dabei unterstrich er den Unterschied zwischen „Dominanz“ und Machtausübung als verantwortliche Führung. Sie hat nicht nur die eigenen Interessen im Blick, sondern das europäische Ganze.
Wir müssen jetzt endlich die „deutsche Untätigkeit“ überwinden und verantwortlich handeln, denn wir stehen vor einer dramatischen Entwicklung: Großbritannien verlässt die EU. In Italien hat eine Regierung die Macht übernommen, die der EU und der gemeinsamen Währung höchst skeptisch gegenübersteht. Die Spaltungen zwischen Ost- und Westeuropa ebenso wie zwischen Süd- und Nordeuropa vertiefen sich. Bei vielen Nachbarn ist ein Widerwille gegen die schon von Sikorski kritisierte deutsche Dominanz entstanden, sei es in der Wirtschaftspolitik, sei es in der Flüchtlingsfrage.
Auf diese bedrohlichen Entwicklungen ist Deutschland bisher eine Antwort schuldig geblieben. Die deutsche Politik sollte eine Vision für ein Europa mitentwickeln, das seine Bürger schützt.
Endlich die Sorgen unserer europäischen Nachbarn ernst nehmen, sich an ihre Stelle setzen und mit ihnen zusammenstehen: das ist jetzt das Gebot der Stunde. Die vernebelnde Warnung vor einer Transferunion muss aufhören. Sie steht im krassen Gegensatz zu Deutschlands wohlverstandenem langfristigem Interesse. Das liegt in einer solidarischen und verlässlichen europäischen Zusammenarbeit. Ohne sie können wir in einer Globalisierung, die unsere Werte zunehmend missachtet, unsere Lebensweise in demokratischer und sozialer Verantwortung, unsere wirtschaftliche Stärke und unsere Kultur nicht verteidigen.
Unsere Regierung muss jetzt endlich den Mut aufbringen, zusammen mit den europäischen Nachbarn auch mit solidarischer Haftung die notwendigen europäischen Zukunftsinvestitionen auf den Weg zu bringen. Sie muss helfen die sozialen Spaltungen innerhalb Europas, die verheerende Arbeitslosigkeit und die Jahre lange Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher in Südeuropa zu überwinden. Sonst wenden sich immer mehr Menschen von Europa ab. Und sie muss schnell eine kreative europäische Antwort auf die Flüchtlings- und Migrationsfrage geben, die zum entscheidenden Nährboden für die wachsenden rechtsextremen Kräfte in Europa geworden ist. Es ist möglich, dafür humane und gerechte Regelungen zu finden.
Geben wir uns einen Ruck! Setzen wir uns ein für ein Europa der Solidarität!
2. Juni 2018
Gesine Schwan
Ulrich Wickert
Unterzeichner bis 21. Juni 2018:
Mazda Adli
Jutta Allmendinger
Dietmar Bartsch
Hadmut Bittiger
Helmut Bittiger
Tim Bittiger
Thomas Bock
Tom Bohn
Norbert Walter Borjans
Andreas Botsch
Franziska Brantner
Joana Breidenbach
Tatjana Brode
Jermyn Brooks
Lisette Buchholz
Thymian Bussemer
Catherine Colliot-Thélène
Daniela Danz
Cornelia Dümcke
Detlef Dzembritzki
Peter Eigen
Fahimeh Farsaie
Karl-Hermann Fink
Susanne Flimm
Dieter Forte
Ute Frevert
Detlev Ganten
Nana Garrett-Bleek
Susanne Goga
Armtraud Hartmann
Wolfgang Hartmann-Besche
Tina Hassel
Sylvia Hauer
Barbara Hendricks
Thomas Hengelbrock
Ulrich Herrmann
Uwe-Karsten Heye
Rainer Hoffmann
Gustav Horn
Willi Jasper
Joachim Kalka
Sabine Kebir
Jochen Kelter
Dominik Kirchdorfer
Klaus Kirschner
Harald Kischlat
Hubert Klöpfer
Jürgen Kocka
Ute Koczy
Charlotte Köttgen
Jan Koneffke
Ursula Krechel
Lukas Krüdener
Kathrin Lange
Christine Lehnen
Wolf Lepenies
Jonas Lüscher
Paul Michael Lutzeler
Beate Maes
Alfredo Märker
Kristof Magnusson
Birgit Mahnkopf
Evelies Mayer
Anja Mihr
Nils Minkmar
Andreas Montag
Edda Müller
Susan Neiman
Ralf Nestmeyer
Wolfgang Niess
Hellmuth Opitz
Patricia Oster-Stierle
Jochen Partsch
Martin Patzelt
Lore-Maria Peschel-Gutzeit
Heinrich Peuckmann
Dietger Pforte
Thomas Podhostnik
Ursula Raue
Nikola Richter
Dominik Riedo
Mark Sasserath
Gerhard Schick
Jens Schneider
Ilka Schönhöfer
Peter Schönhöfer
Friedrich Schorlemmer
Christa Schuenke
Torsten Schulz
Sascha Spoun
Klaus Staeck
Peter Steinbach
Rupert Graf Strachwitz
Johano Strasser
Michi Strausfeld
Jürgen Streich
Leander Sukov
Klaus Theweleit
Wolfgang Thierse
Max Tidof
Axel Troost
Astrid Vehstedt
Regula Venske
Martin A. Völker
Klaus Vogel
Keto von Waberer
Angela Wagner-Bona
Peter Waller
Rainer Wedler
Stefan Weidner
Christina Weiss
Herbert Wiesner
Wolfsmehl
Christian Zacker
Harro Zimmermann
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