Aufruf zur Demonstration am Sonntag, 6. März, 14 bis 17 Uhr, auf dem Berliner August-Bebel-Platz
Wir können nicht länger warten. Seit dem frühen Morgen des 24. Februar 2022 führt Putin Krieg gegen die unabhängige Ukraine und ihre Bevölkerung. Soldaten und Panzer dringen ins Land vor. Putin lässt Städte mit Raketen und Bomben beschießen. Die Etappen seiner Kriegsführung sind aus der Geschichte bekannt: Belagerung, Zerstörung, Vernichtung. Wir kennen sie von Grosny und Aleppo.
Putins Angriff auf die Ukraine ist der Angriff auf ein Land, das geschichtlich, sprachlich, kulturell ein Europa im Kleinen ist. Selbstverständlich zweisprachig und multikonfessionell. Kiew, Odessa, Lemberg, Charkiw sind europäische Metropolen, die alle Katastrophen des 20. Jahrhunderts, zuerst die des Stalinismus, dann die der deutschen Herrschaft überlebt haben. Nun sind der Krieg und der Terror in die Ukraine zurückgekehrt.
Die Wahrheit über diesen Krieg kommt trotz Zensur und Propaganda inzwischen auch in Russland an. Die Bilder von den Bombeneinschlägen im Zentrum von Charkiw, von den Rauchwolken über den Wohnvierteln von Kiew, von den Toten und von den Millionen auf der Flucht.
Ob in Warschau, Paris, Sarajevo oder Berlin: Wir dürfen nicht schweigen. Wir müssen den Angegriffenen in Worten und Taten beistehen. Der Krieg ist zwei Flugstunden von Berlin entfernt. Wir müssen die Urheber der Kriegsverbrechen benennen. Wir dürfen den vor Gewalt und Krieg Fliehenden nicht unsere Hilfe verweigern.
Lasst uns unsere Sympathie und Solidarität mit dem Volk der Ukraine demonstrieren. Hören wir ihren Stimmen zu. Lassen Sie uns in Worte fassen, was wir im Augenblick der Not empfinden und über die Grenzen hinweg miteinander in Kontakt treten: analog und digital, mit Wort und Musik, im offenen Raum, im Zentrum Berlins. Im Kampf für Eure und für unsere Freiheit!
Es sprechen Swetlana Alexijewitsch, Karl Schlögel, Juri Andruchowitsch, Katja Petrowskaja, Jurko Prochasko, Martin Pollack, Kateryna Mishchenko
Für Musik sorgt DJ Yuiy Gurzhy.
Karl Schlögel, Gerd Koenen, Claus Leggewie, Katharina Raabe, Manfred Sapper, Ulrich Schreiber
Verantwortlich: Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e.V. Berlin
Wir dokumentieren die Statements der Historiker und Publizisten Karl Schlögel und Martin Pollack, deren Bücher seit Jahren für Reisende in die Ukraine und nach Osteuropa unersetzliche Lektüre sind.
Die Rede von Karl Schlögel, er war Hochschullehrer in Konstanz und an der Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Seine Forschungsschwerpunkte sind russische Moderne und Stalinismus, russische Diaspora und Dissidentenbewegung, Kulturgeschichte osteuropäischer Städte.
Die Rede von Martin Pollack, österreichischer Journalist, Schriftsteller und Übersetzer, schrieb u.a. über die Geschichte Galiziens und den autobiographischen Bericht über seinen Vater, den SS-Sturmbannführer Gerhard Bast, Chef der Linzer Gestapo und Kriegsverbrecher, Der Tote im Bunker.
Der ukrainische Germanist und Autor Jurko Prochasko war aus Lwiw/Lemberg zugeschaltet. In seiner Rede sprach er über den Großraschismus, eine Kombination aus Großrussentum und Faschismus: „Der Putinismus, der sich in diesen Tagen zur totalitären Diktatur entwickelt, gibt sich gern erratisch und vieldeutig, ist aber im Kern leicht auszumachen: chauvinistischer Imperialismus, völkischer Mystizismus, messianischer Größenwahn, eschatologischer Revanchismus, apokalyptischer und militaristischer menschen- und lebensverachtender Macht- und Führerkult, tiefste Verachtung für Recht und Freiheit und Selbstbestimmung.“